Dada goes Gaga

„Rah rah ah ah ah. Ro ma ro ma mah. Ga ga ooh la la.“

Das sind nicht etwa Verse eines von Hugo Ball verfassten Lautgedichtes, nein. Mit diesen Wortschnipseln pusselt Stefani Joanne Angelina Germanotta, eine amerikanische Sängerin – bekannt unter dem Künstlernamen »Lady Gaga« – den Chrous zu ihrer Single »Bad Romance«, aus dem Jahr 2009. Mancher Auffassung nach gilt sie als zeitgenössische Erscheinung der »Dada-Baroness«, Elsa von Freytag-Loringhoven. So auch in den Augen von Adrian Notz, dem Direktor des Cabaret Voltaire und Co-Kurator der Austellung »Genese Dada«. Spricht Gaga demnach DADA? Streng genommen nicht.

DADA war in seinen Zürcher Anfängen literarischer Natur. Mit sinnfreien Lautgedichten, wie etwa Hugo Balls »Karawane« („jolifanto bambla ô falli bambla…“), sollte die Sprache in die Wiege ihrer Unschuld zurückversetzt werden. Sie sei verdorben und unmöglich, so Ball. „Das Gedicht will die Verschlungenheit des Menschen in den mechanistischen Prozess verdeutlichen. In typischer Verkürzung zeigt es den Widerstreit der vox humana mit einer sie bedrohenden, verstricktenden und zerstörenden Welt, deren Takt und Geräuschablauf unentrinnbar sind.“ [Hugo Ball] Nicht sie machen Unsinn, sondern Unsinn ist die Wirklichkeit, erklärte Kurt Schwitters. Kunst sollte nicht länger in Abgrenzung zum Alltag wahrgenommen werden. Sie soll vermenschlicht werden. Kurz: Die Dadaisten verweigerten sich allem Etabliertem. Vielmehr noch sagten sie den bisherigen Traditionen, in Zeiten zahlreicher kulturgeschichtlicher Umbrüche, wollüstig den Kampf an.

Als es die DADAs peu à peu nach Berlin, New York, Paris bis Köln und Hannover zog, nahm ihre Kunst immer mehr Gestalt an. Etwa in Form von Collagen – das bedeutsamste dadaistische Mittel – in denen „mal absurd, mal poetisch, mal giftig satirisch zusammengefügt wurde, was ursprünglich nicht zusammengehört hatte.“ [Boris Hohmeyer] So bietet DADA, Raoul Schrott zufolge, nicht nur eine Bestandaufnahme des Alten, sondern zementiert den Weg zu dem, was die Popmusik am Anfang des 21. Jahrhundert ausmacht: Die gesamte Ästhetik der Videokunst, des Digitalen. Was sich bereits in DADA-Collagen, wie einst von Hans Arp und Sophie Täuber-Arp, finden lässt. Ist es also weniger die DADA-Sprache, die Gaga ausmacht, als vielmehr eine Ästhetik, mit einem Hauch DADA.

Gemein haben sie ihre negierende, rebellische Attitüde – gegenüber festgefahrener Anschauungen, wie auch gegenüber der Konsumgesellschaft. Angesichts dem Video zu »Alejandro« machte man Gaga den Vorwurf der Blasphemie. In einer transparenten Nonnen-Kutte – unter der ein Slip, geziert mit einem umgekehrten roten Kreuz, zum Vorschein kommt – rekelt sie sich in einer Schar nackter Männer-Oberkörper. Eine Provokation ganz im Sinne der DADA-Kunst. So oszilliert der Gesamteindruck in einer Vielzahl ihrer Performances zwischen DADA und POP. Dennoch bleibt Gaga als Geste des DADA zu verstehen. Als DADA-Beigeschmack sozusagen. Als vermittele sie einem ein gewisses Gefühl davon, wie man sich einen jener Abende im Cabaret Voltaire vorstellen könne.

Claire Zimmermann

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