Künstlerkneipe Voltaire

Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges zog es viele Intellektuelle und Künstler, aufgrund der in der Schweiz vorherrschenden Pressefreiheit und seiner politischen Neutralität, in das Nachbarland. Zu den Emigranten zählte auch der Deutsche Hugo Ball, der gemeinsam mit seiner späteren Lebensgefährtin Emmy Hennings im Herbst 1915 nach Zürich zog.

Ball hatte zuvor in München als Dramaturg und Regisseur gearbeitet, Hennings war eine Kabarettsängerin und bekannte Tänzerin. Daher bot es sich für beide an, auch in der Schweiz ihren Lebensunterhalt im Unterhaltungssektor zu verdienen, zudem entwickelten sie Pläne für die Eröffnung eines Cabarets.

Dafür wurde ein kleiner, mit einer Bühne ausgestatteter Raum von dem Wirt Jan Ephriam, der die Gaststätte „Meierei“ in der Spiegelgasse 1 betrieb, zur Verfügung gestellt. Seit dem Eröffnungsabend am 5. Februar 1916 fand hier zunächst täglich außer freitags und später (aufgrund der hohen Nachfrage) die ganze Woche über ein variierendes Abendprogramm statt. Benannt wurde die Künstlerkneipe nach dem französischen Aufklärer Voltaire, der auch ein politischer Pamphletist war und mit dem Roman Candide oder die beste aller Welten (1759) ein Meisterwerk philosophischer Satire geschaffen hat.

Das Plakat für die Eröffnungsveranstaltung wurde von dem Künstler Marcel Slodki angefertigt.

Ball, der mit der Künstlerkneipe Voltaire einen Ort für die Synthese der verschiedenen Kunstgattungen schaffen wollte, verstand sich selbst als Initiator dieser Veranstaltungen und warb für eine für Jedermann offene Bühne. Dadurch wurde eine Art Plattform geschaffen, auf welcher Künstler unterschiedlichster Nationalitäten eigene und fremde Texte, Musik, Tanz und Kunst präsentieren konnten.

Schnell bildete sich eine Kerngruppe an Mitwirkenden heraus, welche aus Ball, Hennings, Marcel Janco, Tristan Tzara, Hans Arp und dem, im Februar 1916 angereisten, Richard Huelsenbeck bestand. So entwickelte sich die Künstlerkneipe immer weiter weg von ihrer anfänglich traditionellen Kabarettform und hin „zum Tummelplatz verrückter Emotionen“ (Ball, Flucht aus der Zeit, 26.02.1916). Es wurden geradezu chaotische Experimente durchgeführt, darunter literarische Versuche wie die Geräuschgedichte, das Simultangedicht oder Lautgedicht. Um die Vorgänge im Cabaret Voltaire – wie die Künstlerkneipe schließlich benannt wurde – zu dokumentieren wurde im Mai 1916 der gleichnamige Sammelband publiziert, welcher der Gruppe die Möglichkeit eröffnete, ihre Ideen auch außerhalb Zürichs zu propagieren. Bereits Ende Juni 1916 wurde das Cabaret Voltaire wieder geschlossen.

Katharina Massing

Das Cabaret Voltaire existiert noch heute. Hier gibt es ein spannendes Interview mit dem Direktor Adrian Notz.

Weiterführende Literatur

Hugo Ball, Flucht aus der Zeit, Luzern 1946.

Richard Sheppard, Dada Zürich in Zeitungen. Cabarets, Ausstellungen, Berichte und Bluffs, Siegen 1992.

Raimund Meyer, Dada in Zürich. Die Akteure, die Schauplätze, Frankfurt am Main 1990.

Miklavz Prosenc, Die Dadaisten in Zürich, Bonn 1967.

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